Revolutionäre Entdeckungen und bleibende Namensgebungen

Als Arzt beschrieb Kußmaul vieles, was künftig seinen Namen tragen sollte.

Als Literar erfand er zusammen mit seinem Freund Ludwig Eichrodt die parodistische Figur des „Biedermaier“, indem er den Modebegriff „Biederkeit“ ironisch mit dem Allerweltswort „-maier“ verband: Der schwäbische Schulmeister Gottlieb Biedermaier war demnach ein Mensch, dem nach ihrer Charakterisierung „seine kleine Stube, sein enger Garten, sein unansehnlicher Flecken und das dürftige Los eines verachteten Dorfschulmeisters zu irdischer Glückseligkeit verhelfen“. Als Biedermeier wird die stilistische und politische Epoche 1815 bis 1848 bezeichnet.

Kussmaul-Maier-Syndrom (1866)

Klassische Beschreibung der „Periarteriitis nodosa“ durch Kußmaul und Maier.

Kussmaul-Puls (1873)

 Beobachtung des paradoxen Pulsphänomens (Pulsus paradoxus) bei Patienten mit schwieliger Mediastino-Perikarditis, die er als entzündlichen Prozess unterschiedlicher Genese mit Bildung derber bindegewebiger Stränge und konsekutiver Adhäsionen von Perikard und Mediastinum beschrieb. Bei peripherer Pulstastung verschwindet der Puls in kurzen Intervallen, um gleich darauf mehrere Male wiederzukehren, die scheinbare Unregelmäßigkeit ist an die Atemphasen gebunden (bei Inspiration wird der Puls kleiner, bei Exspiration größer).

Kussmaul-Aphasie (1877)

 Totale sensorische (kortikale) Aphasie (Kussmaul-Alexie, Alexia corticalis) mit Beeinträchtigung der „inneren Sprache“, des Leseverständnisses und Schreibens sowie der Unfähigkeit nachzusprechen. Die Kontrolle der Spontansprache und der Redefluss sind gestört, syllabäre und verbale Paraphasie treten auf. Andererseits wird darunter auch der psychogene Mutismus subsumiert („Stummheit“ bei intaktem Sprechorgan, psychogenem Stupor und Schrecklähmung).

Kussmaul-Atmung (1874)

 Kußmaul beschrieb erstmals Beobachtungen an drei komatösen Diabetikern die „große Atmung“ (Kussmaul-Kien-Atmung, Azidoseatmung) mit Azetonbildung im Blut. Die Kussmaul-Atmung gilt seither klinisch als charakteristischer Atemtypus beim Coma diabeticum: pausenlose regelmäßige, sehr tiefe Atemzüge, wobei die Atemexkursion unter Zuhilfenahme der Atemhilfsmuskulatur stark vergrößert ist.

Kussmaul-Koma

Kardinalsymptom des hyperglykämischen diabetischen Komas mit Kussmaul-Atmung, starker Bewusstseinstrübung, Oberbauchschmerzen, Exsikkose, vermindertem Turgor (verminderte Spannung) der Haut, Blutzucker­anstieg und Azetongeruch der Atemluft.

Kussmaul-Lackrachen (1861)

 Lackartige, kupfer- bis brandrote, entzündliche Rötung der Rachen- und Gaumenschleimhaut als Teilerscheinung der Stomatitis mercurialis bei akuter Quecksilbervergiftung.

Kussmaul-Landry-Syndrom (1859)

 Kussmaul beschrieb gleichzeitig mit Jean Baptiste O. Landry (1826–1865) und unabhängig von diesem die aufsteigende, schlaffe symmetrische Lähmung, die schwerste Form des Guillain-Barré-Syndroms (Polyradikulitis-Syndrome, Landry-Paralyse, Polyneuritis acuta ascendens) mit charakteristischem Liquorbefund (Eiweißvermehrung ohne entsprechende Zellvermehrung): schlaffe Beinlähmung mit erloschenen Sehnenreflexen, rasches Aufsteigen der Lähmung über die Muskulatur des Beckengürtels nach oben, Lähmungen der Hirnnerven und Exitus innerhalb kurzer Zeit durch periphere und zentrale Atemlähmung.

Kussmaul-Magenschlauch (1867)

 Kußmaul führte die Methodik der Magenpumpe zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken als alltägliches medizinisches Rüstzeug in die klinische Praxis ein.

Kussmaul-Tenner-Versuch (1857)

Ein Krampfanfall kann durch beidseitige Subklavia- und Karotisunterbindung im Tierexperiment ausgelöst werden.